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Essen: Wie die Psyche uns beeinflusst (Teil 1)

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Unsere Psyche beinflusst unser Essverhalten, etwa ob wir gerade Lust auf Brot oder Käse habenSeit 15 Jahren schreibe ich regelmäßig Artikel übers Essen. Meist beschäftige ich mich dabei mit Essverhalten – den körperlichen, psychischen und äußeren Einflüssen, die uns zum Essen bewegen – und vor allem mit dem ewigen Thema Abnehmen. Der Grund liegt auf der Hand: Mehr als die Hälfte der Deutschen ist übergewichtig, rund ein Drittel möchte dünner werden.

Nur zwei verbindliche Antworten

Als ich in dieses Themenfeld einstieg, tobte gerade die Fettdebatte. Bis ungefähr zum Jahr 2000 war Fett böse, Kohlenhydrate waren gut. Also: Nudeln essen – super. Butter, Wurst und Käse – bäh. Dann gab es ein paar Studien aus den USA, die belegten, dass die Menschen, die am wenigsten Fett aßen nicht wesentlich dünner oder gesünder waren als jene, die üppige Speisen lieben.

Der Kampf war eröffnet: Fett oder Kohlenhydrate, wer verliert? Anfangs habe ich diese Diskussion superinteressiert verfolgt und auf eine finale Antwort gewartet. Sie kam aber nicht. Die Fettdebatte läuft immer noch, nur spricht keiner mehr davon. Stattdessen erlebte ich öffentliche Diskussionen um den Wert von sekundären Pflanzeninhaltsstoffen, um Vitamine, um Trennkost, um Zucker, Energiedichte, Laktose, fleischlose Ernährung, Veganismus, Gluten und Weizen, Darmbakterien und so weiter und so fort. Gefühlte eine Million Ernährungsfragen. Zu allen existieren tonnenweise Artikel, Bücher und Webeinträge.

Aber es gibt bis heute nur zwei allgemeinverbindliche Antworten: Wer mehr Kalorien aufnimmt, als sein spezieller, individueller Körper verbraucht, nimmt zu. Und: Vitamin- und anderer Nährstoffmangel sowie einseitiges Essen schaden selbst dem robustesten Menschen irgendwann.

Ernährungstipps taugen nicht für jeden

Das eben erwähnte tonnenweise Ernährungswissen lässt sich nicht auf jeden Menschen gleichermaßen anwenden. Jeder Organismus verwertet Nährstoffe anders. Jeder von uns ist in seinem Essverhalten von seinen individuellen Erfahrungen geprägt und jeder in seinem persönlichen Lebensumfeld anderen Einflüssen ausgesetzt, die mitentscheiden, was er isst und wie viel davon.

Ich schreibe darum nicht mehr so gerne Ratgeber-Beiträge über Ernährung. Sie bleiben notgedrungen schwammig. Gespickt mit Formulierungen wie: „Finden Sie Ihren eigenen Weg. Probieren Sie aus, ob Ihnen das hilft. Falls nicht, versuchen Sie es mit etwas anderem.“

Ernährungstypen – Ein Überblick

Also lasse ich es auch hier im Blog. Stattdessen biete ich euch heute einen kleinen Überblick zum Thema „Wie Psyche und Essen sich beeinflussen“. Dazu habe ich vor einiger Zeit einen Vortrag des Gesundheitspsychologen Christoph Klotter gehört. Er hat dabei verschiedene Ess-Typen vorgestellt. Die Kategorisierungen basieren auf unterschiedlichen Herangehensweisen, beispielsweise auf einem soziologischen oder psychologischen Blickwinkel. Jeder einzelne Typus bildet also nur einen einseitigen Ausschnitt aus dem komplexen Essverhalten eines Menschen ab. Jeder findet sich mal mehr, mal weniger in mehreren Typen wieder.

Setzt man sich mit diesen Ernährungstypen auseinander, hat man am Ende einen recht genauen Überblick, was einen selbst in bestimmten Situationen zum Kühlschrank treibt oder beim Einkaufen bewegt.

Ich fand das selbst sehr hilfreich. Ich dachte immer, ich wäre vor allem Stressesser, bin aber offenbar deutlich lerngetrieben. Seitdem ich das weiß, kann ich auf einmal prächtig ohne Popcorn im Kino leben.

Da Klotter 17 Esstypen aufzählt, teile ich diese Typen in 3 Beiträge, sonst wird es zu viel.

Sklave oder Weltverbesserer?

Heute 5 Typen. Schaut selbst:

1) Die Lernmaschine

Wie die Psyche das Essen beeinflusst: Die LernmaschineDieser Typus fasst Theorien aus der Lern- und Verhaltens-Theorie zusammen. Wenn wir zum Beispiel ins Kino gehen, bestellen wir immer Popcorn oder immer Gummibärchen. Warum? Weil wir auf einen immer gleichen Reiz – hier das Kino – mit einer immer gleichen Reaktion – Popcorn kaufen – reagieren. Die Reaktion auf den Umwelteinfluss lernen wir durch Wiederholung und positive Verstärkung. Wie der Pawlowsche Hund. Im Kino-Fall: Der Film ist spannend und gut. Bei diesem angenehmen Erlebnis war Popcorn dabei, also möchte ich beim nächsten Mal, wenn ich wieder einen spannenden Film erwarte, auch Popcorn. Irgendwann wird es zum Automatismus: Kino = Popcorn.

Ähnlich ist es zum Beispiel mit:

Sonntag = Torte zum Kaffee

gute Schulnote = ein Belohnungseis

Einkaufen im Supermarkt = hinterher zum Burgerladen um die Ecke

2) Das Tier im Menschen

Wie Psyche das essen beinflusst: Das Tier im MenschenEin Ansatz aus der Biologie: Der Mensch isst um zu überleben. Da es die meiste Zeit in der Evolutionsgeschichte unsicher war, wann das nächste Mal ausreichend Nahrung zu Verfügung steht, gab es einen Selektionsdruck in Richtung: „Iss so viel du kannst, und zwar möglichst kalorienreich, also süß und fett.“ Menschen, mit einer genetisch bedingten Appetit für viel, süß und fettig hatten demnach einen Überlebensvorteil. Dagegen wäre die Menschheit wohl ausgestorben, wenn der Typ „Weltverbesserer“ (siehe nächster Punkt) als erster auf Erden gewandelt wäre. Das Problem dabei: Beim heutigen Nahrungsüberfluss wird süß und fettig für den Einzelnen schnell schädlich. Der Nahrungsmittelindustrie ist das geschäftsbedingt egal. Sie nutzt das Ausgeliefertsein an genetische Programme aus, packt immer mehr billiges Fett und billigen Zucker an Stellen, an denen sie keiner vermutet – und bereichert sich an menschlichen Instinkten.

3) Der Weltverbesserer

Wie Psyche das Essen beeinflusst: Der WeltverbessererDer stern titelte im Februar „Essen: Die neue Religion“. Das Blatt beschrieb einen Typus Mensch, der „nicht mehr in der Kirche nach Erlösung trachtet, sondern Körperoptimierung, Moral und Selbstkontrolle ins Zentrum seines Strebens rückt“. Veganer, zuckerfrei-Esser, Paleo-Diät-Jünger und diverse andere gehören dazu. Dahinter vermuten Wissenschaftler unterschiedliche Motive. Neben dem religiösem, sich nicht gegen die Natur und sich selbst versündigen zu wollen, ginge es auch um Abgrenzung von vermeintlich triebgesteuerten Schichten und sozial Schwachen. Andere sehen darin Ausdruck einer schon in der Kindheit beginnenden Entfremdung von natürlichem Essverhalten. Kennzeichnend ist der Glaube an bestimmte Ernährungs-Regeln – oft ohne deren wissenschaftliches Fundament zu hinterfragen. Sich nach ihnen zu richten, hilft auf jeden Fall dabei, genetischen Programmen, wie der Lust auf Süßes, zu widerstehen. Aktuell mag das vielen Menschen dabei helfen, ihr Gewicht im Griff zu behalten. Die Industrie ist aber schon sehr gut darauf eingestellt.

4) Der Esser ohne Reue

Wie die Psyche das Essen beeinflusst: Der Esser ohne ReueHierzu zählen Menschen, die essen, worauf sie Lust haben, ohne vorher und hinterher Gedanken an irgendwelche Konsequenzen zu verschwenden: Ist das gesund? Macht es mich dick? Esse ich aus Hunger oder nur aus Genuss? All solche Überlegungen sind ihnen fremd. Sie gelten als fast ausgestorben. Denn nur noch sehr schlanke und gesunde Menschen können es sich auf Dauer erlauben, einfach zu essen, ohne schief angeschaut oder ermahnt zu werden. Zugleich sind wohl die meisten sehr schlanken und gesunden Menschen vor allem deshalb dünn und fit, weil sie sich bereits gesellschaftlichen Zwängen unterwerfen. Ernährungswissenschaftler beklagen einen bedenklichen Trend, dass nicht einmal mehr Kleinkinder einfach essen dürfen, was und wie viel ihnen schmeckt – mit Konsequenzen für das ganze weitere Leben.

5) Der Normsklave

Wie die Psyche das Essen beieinflusst: Der NormsklaveDieser Typus hat keine Nachwuchssorgen: Normsklaven essen, um einem Ideal zu entsprechen und dazuzugehören. Sie wollen schlank sein, gesund, jugendlich…. Hauptsache passend zu den Menschen, in deren Gesellschaft sie sich bewegen (möchten). Die eigenen Bedürfnisse stellen sie dafür hinten an, bis sie fast verschwinden. Das geht soweit, dass sich diese Menschen auch problematischen Normen anpassen. Zum Beispiel steigt seit Jahrzehnten der Druck, schlank zu sein, um zu gefallen. Es gibt kein Gesetz, dass irgendjemanden zwingt, seinen BMI unter 25 zu pressen, trotzdem hungern täglich Hundertausende in Deutschland freiwillig, nur um zwei, drei Kilo loszuwerden, die sie von einer bestimmten Zahl trennen.

Die weiteren Teile dieser Serie findest du hier (Teil 2) und hier (Teil 3).

Der Beitrag Essen: Wie die Psyche uns beeinflusst (Teil 1) erschien zuerst auf healthandthecity.


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